MARTINSCHWAB Telegram 136
HAUSDURCHSUCHUNG WEGEN BELEIDIGUNG VON POLITIKERN?

Liebe Community,

Nach der Hausdurchsuchung in der "Schwachkopf"-Affäre wurde bekannt, dass auch Friedrich Merz einen beträchtlichen Eifer an den Tag legt, wenn es um die Verfolgung von Beleidigungen zu seinem Nachteil geht. Der "stern" berichtete am 23.11.2024, dass es in mindestens zwei dieser Fälle zu Hausdurchsuchungen bei Menschen gekommen sei, die sich im Internet abfällig über Friedrich Merz geäußert hatten.

Ich darf daher aus diesem Anlass alle Richter und Staatsanwälte in diesem Land an einen sehr weisen Beschluss des Landgerichts Hamburg in der sog. Pimmelgate-Affäre erinnern (LG Hamburg, Beschluss vom 26.7.2022 - 631 Qs 17/22):
https://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/recherche3doc/LG_Hamburg_631_Qs_17-22_NJRE001522597.pdf?json=%7B%22format%22%3A%22pdf%22%2C%22docId%22%3A%22NJRE001522597%22%2C%22portalId%22%3A%22bsha%22%7D&_=%2FLG_Hamburg_631_Qs_17-22_NJRE001522597.pdf

Ausgangspunkt dieses Verfahrens war die Erwiderung eines Gastronomen auf einen Tweet des Hamburger Innensenators Andy Grote, der sich seinerseits abfällig über Menschen geäußert hatte, die trotz Corona-Maßnahmen feierten. Jener Gastronom postete als Erwiderung: "Du bist so 1 Pimmel" - und fing sich dafür nicht nur einen Strafantrag wegen Beleidigung, sondern auch eine Hausdurchsuchung ein.

Diese Hausdurchsuchung, so das LG Hamburg, war rechtswidrig, weil der Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) in keinem Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe stand. Eben dies dürfte auf die allermeisten heutigen Fälle zutreffen, in denen Menschen, die sich bisher nichts haben zuschulden kommen lassen, angesichts der immer schlimmeren Fehlleistungen deutscher Politiker die Hutschnur platzt.

Es ist schon schlimm genug, dass Politiker über solchen Beschimpfungen nicht einfach drüberstehen, sondern stattdessen die Strafverfolgungsbehörden in die Spur schicken. Noch schlimmer ist, dass dabei mit zweierlei Maß gemessen wird: Völlig egal, was man von den jeweiligen Politikern hält, geht es einfach nicht, dass man einerseits für "Schwachkopf" an die Adresse von Robert Habeck und für "Idiot" an die Adresse von Olaf Scholz bestraft wird, andererseits aber Alice Weidel ungestraft "Nazi-Schlampe" nennen darf.

Ganz besonders schlimm sind aber Hausdurchsuchungen aus Anlass von (angeblichen oder tatsächlichen) Beleidigungen zum Nachteil von Politikern. Mit solchen Durchsuchungen ist ein Einschüchterungseffekt verbunden, der geeignet ist, auf die Dauer jegliche Form von Regierungskritik abzuwürgen. Und damit bedrohen jene Durchsuchungen nicht nur individuell das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, sondern auch institutionell das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Ohne freie Meinungsäußerung kann es aber keine funktionierende Demokratie geben.

Gerade im Interesse der Demokratie bitte ich daher die deutschen Richter und Staatsanwälte, Augenmaß zu bewahren und von Hausdurchsuchungen wegen Beleidigungsdelikten Abstand zu nehmen.

Herzliche Grüße
Ihr und Euer
Martin Schwab



tgoop.com/MartinSchwab/136
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Liebe Community,

Nach der Hausdurchsuchung in der "Schwachkopf"-Affäre wurde bekannt, dass auch Friedrich Merz einen beträchtlichen Eifer an den Tag legt, wenn es um die Verfolgung von Beleidigungen zu seinem Nachteil geht. Der "stern" berichtete am 23.11.2024, dass es in mindestens zwei dieser Fälle zu Hausdurchsuchungen bei Menschen gekommen sei, die sich im Internet abfällig über Friedrich Merz geäußert hatten.

Ich darf daher aus diesem Anlass alle Richter und Staatsanwälte in diesem Land an einen sehr weisen Beschluss des Landgerichts Hamburg in der sog. Pimmelgate-Affäre erinnern (LG Hamburg, Beschluss vom 26.7.2022 - 631 Qs 17/22):
https://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/recherche3doc/LG_Hamburg_631_Qs_17-22_NJRE001522597.pdf?json=%7B%22format%22%3A%22pdf%22%2C%22docId%22%3A%22NJRE001522597%22%2C%22portalId%22%3A%22bsha%22%7D&_=%2FLG_Hamburg_631_Qs_17-22_NJRE001522597.pdf

Ausgangspunkt dieses Verfahrens war die Erwiderung eines Gastronomen auf einen Tweet des Hamburger Innensenators Andy Grote, der sich seinerseits abfällig über Menschen geäußert hatte, die trotz Corona-Maßnahmen feierten. Jener Gastronom postete als Erwiderung: "Du bist so 1 Pimmel" - und fing sich dafür nicht nur einen Strafantrag wegen Beleidigung, sondern auch eine Hausdurchsuchung ein.

Diese Hausdurchsuchung, so das LG Hamburg, war rechtswidrig, weil der Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) in keinem Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe stand. Eben dies dürfte auf die allermeisten heutigen Fälle zutreffen, in denen Menschen, die sich bisher nichts haben zuschulden kommen lassen, angesichts der immer schlimmeren Fehlleistungen deutscher Politiker die Hutschnur platzt.

Es ist schon schlimm genug, dass Politiker über solchen Beschimpfungen nicht einfach drüberstehen, sondern stattdessen die Strafverfolgungsbehörden in die Spur schicken. Noch schlimmer ist, dass dabei mit zweierlei Maß gemessen wird: Völlig egal, was man von den jeweiligen Politikern hält, geht es einfach nicht, dass man einerseits für "Schwachkopf" an die Adresse von Robert Habeck und für "Idiot" an die Adresse von Olaf Scholz bestraft wird, andererseits aber Alice Weidel ungestraft "Nazi-Schlampe" nennen darf.

Ganz besonders schlimm sind aber Hausdurchsuchungen aus Anlass von (angeblichen oder tatsächlichen) Beleidigungen zum Nachteil von Politikern. Mit solchen Durchsuchungen ist ein Einschüchterungseffekt verbunden, der geeignet ist, auf die Dauer jegliche Form von Regierungskritik abzuwürgen. Und damit bedrohen jene Durchsuchungen nicht nur individuell das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, sondern auch institutionell das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Ohne freie Meinungsäußerung kann es aber keine funktionierende Demokratie geben.

Gerade im Interesse der Demokratie bitte ich daher die deutschen Richter und Staatsanwälte, Augenmaß zu bewahren und von Hausdurchsuchungen wegen Beleidigungsdelikten Abstand zu nehmen.

Herzliche Grüße
Ihr und Euer
Martin Schwab

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