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Der Lebensbaum (Teil II)
Die verzeinzelt noch anzutreffende Sitte, bei der Geburt eines Kindes, insbesondere des Hoferben, einen jungen Baum im Hofe zu pflanzen, erinnert ebenso an den ewigen Lebensbaum, wie die Bäume, die zu Ehren großer Männer mit unsterblichen Verdiensten gepflanzt werden. --
Daß Bäume Wetterkünder sein können, gründet sich zweifellos auf geschlechterlange Erfahrung. Wenn im Nebelung noch Wasser aus einer angehauenen Buche spritzt (also der Saft nicht stark zurückgegangen ist), so ist nach Tiroler Volksglauben mit einem regenreichen (und nicht kalten) Winter zu rechnen. Auch der norddeutsche Spruch über das Frühlingsausschlagen von Eiche und Esche dürfte seine Richtigkeit haben:
"Kummt de Eike vor de Esche
hält der Himmel grote Wäsche
kummt de Esche vor de Eike
hält de Himmel grote Bleike."
Daß der alte Bauernspruch über die verschiedene Blitzgefahr unter einzelnen Bäumen:
"Vor den Eichen sollst du weichen,
doch die Buchen sollst du suchen"
durch wissenschaftliche Beobachtungen in hervorragender Weise als richtig erwiesen wurde, ehrt das bäuerliche Weistum nicht wenig.
Es würde zu weit führen, wollte man auf die einzelnen Bäume und Sträucher oder gar niedrigeren Pflanzen näher eingehen. Allgemein muß darauf hingewiesen werden, daß von ihnen manch bewährtes Heilmittel stammt, so daß sie selbst hin und wieder noch als "heilig" und "Gesundheit bringend" empfunden werden. Marzell berichtet einen norddeutschen Spruch, in dem der "liebe Eichbaum" gebeten wird, das Fieber von einem Menschen zu nehmen.
Die Linde ist wohl der häufigste deutsche Gerichtsbaum, der des Dorfes Mitte ziert. Den heilsamen Lindenblütentee kennt unser Volk noch allenthalben.
Von der Birke stammt meist das Maibuschengrün. Heute steht sie an Pfingsten in vielen deutschen Häusern und am Vorabend der ostfränkischen Kerwa wird sie festlich eingeholt.
Die Eberesche, der Vogelbeerbaum, steht in hoher Achtung bei unseren Bauern. Man steckt seine Zweige mancherorts auf die Dächer und an ihn, als rechten lebenszähen Baum ("Quitschenboom" in dem vermutlich der Stamm Quik, Queck=Leben-Quecksilber-steckt) knüpft sich der von Marzell mitgeteilte Spruch aus Mecklenburg:
"Ich quitsch di, ek queke di, de leiwe Gott bei beter di denn warst du dick un fett un rund un denn och gesund."
Geheimnisvoll ist die Rolle der seltsamen immergrünen Mistel - so wie Baldr durch den Mistelspeer getötet wird, bringt sie dem Baum, der ihr Wirtspflanze ist, den Tod. Wir finden sie mit ihren weißen Beeren um die Weihnachtszeit in mancher Stube hängen - wohl als Sinnbild dafür, wie das alte Jahr zu Ende geht. So gewiß dieser Tod ja von einem neuen Leben gefolgt wird und so gewiß wie ein sterbender Baum Baustoff für neu aufbauende Pflanzen abgibt, so möglich ist die Deutung, daß die Mistel nichts anderes als das Sinnbild der abbauenden, tötenden Kräfte im All darstellt, die ebenso zur Ganzheit der göttlichen Ordnung gehören, wie die aus dem scheinbaren Tod neuerstehenden.
Aus "Bauernbrauch im Jahreslauf" von Hans Strobel
Teil I
Teil III
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